Hey Frosch,
nicht dass das Spiel gegen Oberhausen nach einem Spielbericht geschrien
hätte, wo ich gerade in den letzten Jahren doch eh nur noch
zu ausgewählten Ereignissen meinen Senf abgebe.
Aber das letzte Heimspiel dieser Hinrunde ist es allemal wert, besonders
gewürdigt zu werden, so dass dieser Spielbericht wohl auch
eher ein Halbjahrsbericht ist.
Mein Gott ist es schon über ein halbes Jahr her seitdem Marco
Christs Flanke uns aus der Unterwelt des deutschen Fußballs
befreit hat, ist es erst ein halbes Jahr her, dass wir knappe zwei
Wochen in seelischen Ausnahmezustand zwischen drittklassigen Abgrund
und rosaroter Zweitklassigkeit geschwebt sind? Dabei konnte man
zu dem Zeitpunkt noch gar nicht richtig beurteilen, wie toll es
sein kann, Fan eines erfolgreichen und euphorisierten Profiteams
zu sein und wie derart öde dagegen Partien gegen Sandhausen
oder diese ganzen römischzwei-Mannschaften vergleichsweise
waren.
Angefangen mit der Fast-aber-eigentlich-trotzdem-Pokalsensation
gegen den HSV war diese
Saison - insbesondere in den Heimspielen - geradezu ein Genuss.
Auch Auswärts waren die
Auftritte der Fortunen gar nicht schlecht, wenn die Punkteausbeute
dies nicht wirklich adäquat wiederspiegelt - so hätten
die Leistungen in Duisburg (1.Halbzeit), Fürth, St. Pauli und
auch die erst in der Zukunft stattfindende :-) Schnellballschlacht
in Rostock durchaus den ein oder anderen Punkt verdient gehabt -
aber gerade durch diese Tatsache kann man lässig festhalten,
dass wir zu Recht da oben mitmischen.
lch hatte mich - als bekennenden Zweckpessimisten mit einem Hauch
Zuversicht - auf einen
souveränen Existenzkampf in diesem Spieljahr eingestellt, bin
aber bislang –gefühlter maßen zum ersten Mal von
meiner Fortuna in positiver Hinsicht eines Besseren belehrt worden.
Es ist momentan geil Fortuna Fan zu sein. Wenn der letzte Gedanke
des Tages vor einem seligen einschlummern der Punktestand ist, läuft
irgendetwas richtig. Meine Güte, vielleicht
versaue ich meinen Kindern ja gar nicht ihr (Fan)Leben, wenn ich
ihnen den Weg zur Fortuna weniger ebene als eher schon sechsspurig
planiere und mit rot-weißen Leitplanken verziere.
Werde ich mich eines Tages selbstgefällig zurücklehnen
und meinen Enkeln, die natürlich auch Teil des Massenphänomens
Fortuna sind, von grauen Tagen berichten können, die man sich
eigentlich gar nicht mehr vorstellen kann?
Du siehst, lieber Frosch, ich drohe von der Euphoriewelle mitgerissen
zu werden - aber es fühlt sich gut an.
Es ist ja nicht alleine die Tabelle und das Punktekonto, dass zu
diesem Fieber führt, es ist neben der Leistung der Mannschaft
auch die Stimmung im Stadion und (man glaubt es kaum)
auch der Unterhaltungswert der Spiele. Die Fortuna bietet derzeit
auch noch Drama mit Herzblut.
Ich glaube die Spiele wären sogar nüchtern erträglich.
Einen derartigen Selbstversuch habe
ich allerdings nach der 1. Halbzeit gegen den FSV Frankfurt abgebrochen
und siehe da -
kaum hatte ich mir ein Bierchen genehmigt, drehten unsere Jungs
das Spiel, was mich in meinen Trinkgewohnheiten doch (zu meiner
Erleichterung) bestärkt hat.
Die rot-weiße Begeisterung lässt mich zum Glück
auch tief im Feindesland, wo ich ja jetzt arbeite, über die
vielen grün-weiß-schwarz geflaggten Vorgärten und
die in ebenso geschmacklosen Farben gestrichen und mit Rauten versehenen
Garagentore hinwegsehen.
Ich habe mir jedenfalls festvorgenommen, den linken Niederrhein
- wenigstens aber den Großraum Kleve zu missionieren. Ich
möchte die wortkargen Fastholländer aus den Hufen dieser
barbarischen, bestialischen? (wofür steht das B eigentlich
im Vereinswappen) Pferdchen erretten und ihnen den Weg zur Glücksgöttin
weisen.
Ich habe jedenfalls schon mal angefangen mich beliebt zu machen,
in dem ich mich auf unserer Weihnachtsfeier nicht nur als Fortune
geoutet habe, sondern mich auch schon auf das nächstjährige
Lokalderby gefreut habe - habe aber gleich hinzugefügt, man
will ja nicht vermessen und arrogant klingen, dass ich nicht glaube,
dass Fortuna tatsächlich aufsteigt.
Achja, vielleicht sollte ich auch noch mal was zum Spiel gegen RWO
erzählen. Der Verein aus der Stadt rund um ein Einkaufszentrum
hatte uns ja vor etwa anderthalb Jahren im Weg gestanden, als wir
den ersten ernst zu nehmenden Versuch zu einer Rückkehr in
die Bundesliga mit der kaum sichtbaren kleinen Zwei davor unternommen
hatten. Das inspirierte Express und Co. natürlich gleich wieder
zu Phrasen a la man hat noch eine Rechnung offen und muss nun die
selbige begleichen. Mir persönlich tangierte das nun gerade
nicht. Ich kann gut damit leben, jetzt im Moment ein paar Plätzchen
vor den Kleeblättern (sind das eigentlich lren oder was soll
das?) zu stehen.
Über 60.000 Menschen innerhalb von einer guten Wochen bei Fortuna,
können sich nicht irren – Fortuna ist cool.
Im Vergleich zu den letzten Spielen war diesmal aber die Erwartungshaltung
der Masse eindeutig, ein Sieg sollte her und nach Möglichkeit
sogar ein Aufstiegsplatz erobert werden.
Ohne den meiner Meinung nach etwas hart bestraften Jovanovic durfte
überraschenderweise Heidinger erstmals in dieser Saison von
Beginn an spielen. Er lief neben unserem Hanseatischen Ösi
Harnik im Sturm auf.
Fortuna begann zwar subjektiv besser aber irgendwie wirkten beide
Mannschaften doch recht gehemmt. Das Spiel war im Vergleich zu einem
Großteil der Darbietungen der letzten Jahre ein Leckerbissen
- man wird aber ja langsam etwas verwöhnt.
Als Oberhausen langsam etwas mutiger wurde, schlug Fortuna dann
aber doch aus dem Nichts zu. Eben noch hatte Mike Terranova - was
für ein Name oder doch die einzige Rettung der Menschheit nach
dem Kopenhagen ein Gipfel der Untätigkeit geworden ist - eine
halbe Chance auf seinem apenninischen Stiefel habt, zeigte RWOs
Keeper Pirson, dass er im Herzen immer ein Fortune geblieben ist.
Anders ist es jedenfalls nicht zu erklären, dass er den 70
Meter Pass von Langeneke ausgerechnet Heidinger direkt vor die Füße
fallen ließ. Und jetzt kommt das eigentlich erstaunliche an
dieser Szene: Heidi war weder überrascht, noch schockiert oder
gar verblüfft, nein er blieb cool und schob das Runde aus spitzem
Winkel ins Eckige – soviel Geometrie bei einem Tor, da wäre
selbst unserer alten Mathe-Lehrerin Unke Krüger vor Begeisterung
die Kippe aus dem Mund gefallen.
Beim 2:0 war ich glücklicherweise :-( gerade beim Bierstand
und konnte es gleich mal gebührend feiern. Offenbar hatte Martin
Harnik, der ohnehin sicherlich bereits Teil einer erfreulich langen
Liste von Positiverscheinungen der Hinrunde war, bei einem Pfostenkopfball
erneut von Heidinger mit etwas Glück abgestaubt. Die Situation
muss wohl so überwältigend gewesen sein, dass mir niemand
von den anwesenden Damen und Herren eine halbwegs glaubwürdige
Nacherzählung liefern konnte, keine Ahnung womit Familie Gölz
und Co. wieder beschäftigt waren.
Der Rest des Spiels ist schnell zusammengefasst: souverän kontrolliert
- wie eine Spitzenmannschaft.
2009 war einfach ein geiles Fortuna-Jahr - aber "2010 Ihr werdet
es schon sehen..." muss ja
nicht schlechter werden. Mit 30 Punkten hat man jedenfalls gar nicht
mal so schlechte Chancen auf den Klassenerhalt und wer ist eigentlich
diese Rostock - nicht mehr als eine debile Band namens Jennifer.
Gruß
ein euphorisierter
Andi
Spielberichte
09/10
|